Auszeichnung
Dienstag | 12. März 2024

„Entlarvung der Bürokratisierung existenzieller Anliegen“

HfK-Meisterschülerin Rima Radhakrishnan erhält den 47. Förderpreis für Bildende Kunst Bremen
Förderpreisträgerin Rima Radhakrishnan mit ihrer Arbeit „AW: AW: [EXTERN]-Re: AW: [EXTERN]-Fwd: Frage zum Aufenthalt“.
Förderpreisträgerin Rima Radhakrishnan mit ihrer Arbeit „AW: AW: [EXTERN]-Re: AW: [EXTERN]-Fwd: Frage zum Aufenthalt“. © Bernadette Haffke

Der 47. Förderpreis für Bildende Kunst geht an die aus Indien stammende Rima Radhakrishnan, Künstlername Rimadaum. Sie war 2019 Meisterschülerin an der HfK Bremen. Der Preis wurde im Rahmen einer Ausstellungseröffnung in der Städtischen Galerie Bremen überreicht, wo ihre ausgezeichnete Arbeit „AW: AW: [EXTERN]-Re: AW: [EXTERN]-Fwd: Frage zum Aufenthalt“ zu sehen ist. 

Ihre Erstbegegnung damit beschreibt die Jury: „Beim Betreten des Ausstellungsraums wird deine Aufmerksamkeit von einer grauen Wand gefangen und du fragst dich zunächst, was dieses Hindernis im Raum ist. Diese indifferente, überwiegend hässliche Struktur, die sich wie eine Lücke anfühlt. Eine Art Fehler. Du bemerkst den Sockel, darauf ein Aktenordner, der genau die Oberfläche abdeckt, einfach in seiner Form, wie alle anderen Aktenordner, die wir je gesehen haben. Du denkst zuerst, es könnte ein kuratorischer Hinweis sein, eine Anmerkung zur Ausstellung. 

Du gehst ein wenig näher heran und die Arbeit ergreift dich. Da ist ein leichtes Zögern, durch die Seiten zu blättern, während du in eine andere Welt eintrittst durch ein wohlbekanntes Objekt, das eine wohlbekannte Geschichte beinhaltet. Eine Geschichte vom Leben in der Peripherie. Eine Geschichte vom Ringen mit der Bürokratie. Eine Geschichte, die dich tiefer zieht in die Komplexität des Sozialsystems, der Institution, der Menschenrechte, des Überlebens ohne ein Opfer zu sein. Der Text im Werk vermittelt eine Art Spiel, ein Humor wird erfahrbar, der einen sarkastischen Unterton beinhaltet.

Buchstaben, Worte und Sätze, die dich die Verwirrung spüren lassen, mit der die Menschheit konfrontiert ist. Wir leben in einer Welt mit Grenzen. Es gibt hier weder Mitleid noch Freude. Das Werk hat eine sanfte Kraft, die uns auffordert, etwas zu wagen.“

Der Leiter und Kurator der Städtischen Galerie, Ingmar Lähnemann, kommentiert die Jury-Entscheidung so: „Die Preisträgerin Rimadaum reflektiert in ihrem Werk ihre Korrespondenz mit dem Migrationsamt im Zuge der Sicherung ihres Aufenthaltsrechts in Deutschland. Sie spiegelt und bearbeitet das von Bürokratie geprägte behördliche Material, indem sie Sätze, Worte und Begriffe in Schreibmaschinentypographie tippt und alphabetisch im Register in einem Aktenordner präsentiert. Es entsteht eine Mischung aus erschreckenden, komischen und die Amtssprache reflektierenden Sprachfragmenten, die manchmal wie konkrete Poesie wirken. Aus der eigentlich persönlichen Korrespondenz wird eine allgemeingültige Darstellung und Entlarvung der Bürokratisierung existenzieller Anliegen."

Der Bremer Förderpreis für Bildende Kunst wurde bereits an später überregional bekannt gewordene Kunstschaffende wie Norbert Schwontwowski (1985) und Christian Haake (2007) verliehen und zählt zu den ältesten sowie bestdotierten Nachwuchsförderpreisen. Er wird seit 1977 vergeben, ist mit 6.000 Euro dotiert, hinzu kommen eine Einzelkatalogförderung von 3.000 Euro sowie eine spätere Einzelausstellung in der Städtischen Galerie Bremen.

Die Preisträger:innen werden in einem zweistufigen Verfahren bestimmt. Aus allen eingehenden Bewerbungen lädt zunächst eine regionale Vorschlagskommission die Kandidat:innen für eine Ausstellung in der Städtischen Galerie Bremen ein. Aus insgesamt 41 Einsendungen wurden in diesem Jahr neben Rimadaum zehn Künstler:innen ausgewählt: Anja Engelke (HfK-Absolventin und heutige Co-Leiterin der HfK-Fotowerkstatt), Aria Farajnezhad (HfK-Meisterschülerin 2022), Paula Hurtado Otero (HfK-Meisterschülerin 2019), Tomma Köhler (HfK-Meisterschülerin 2021), Ricardo Nunes (HfK-Student 2014 – 2017), Ole Prietz (HfK-Meisterschüler 2023), Florian Witt (HfK-Absolvent 2021) sowie Clara Alisch, Kira Keune und Hae Kim.

Aus ihren gezeigten Werken bestimmte eine überregionale Jury die Preisträgerin. In diesem Jahr gehörten Prof. Dr. Stephan Berg (Kunstmuseum Bonn), Prof. Dr. Andreas Blühm (Groninger Museum), Carlota Gómez (Kunstverein Hannover) und Syowia Kyambi (Künstlerin und Kuratorin, Professorin an der Akademie der bildenden Künste Nürnberg) der Jury an.

Auffällig ist die Vielfalt der künstlerischen Positionen, die in der Ausstellung vertreten sind. Interventionen in den Ausstellungsräumen und installative Ansätze stehen neben fotografischen Positionen und Werken, die im Bereich Skulptur verortet werden können. Bauspekulation, koloniales Erbe, feministische Fragen an Care-Arbeit, private Spuren im digitalen Alltag, künstliche Intelligenz in der Bildproduktion und die Feinheiten und Absurditäten der deutschen Sprache sind Aspekte und Inhalte, die von den beteiligten Künstler:innen verhandelt werden.

Die Ausstellung zum 47. Bremer Förderpreis für Bildende Kunst kann bis zum 5. Mai 2024 in der Städtischen Galerie Bremen, Buntentorsteinweg 112, barriere- und eintrittsfrei besichtigt werden.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, jeweils 12 bis 18 Uhr.

Ein Kurzführer zur Ausstellung ist hier zu finden.