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Auszeichnung
Dienstag | 14. September 2021

Hannah Wolf gewinnt den Willi-Münzenberg-Preis

Pathosrot, darauf der Halbmond, dann noch der Stern

Bei Prof. Julika Rudelius studiert Hannah Wolf Freie Kunst. In Berlin gewann sie den Willi-Münzenberg-Preis in der Kategorie Fotografie und damit ein Preisgeld von 1.750 Euro.

Der Kunstwettbewerb fand zum sechsten Mal statt. Er stand dieses Jahr unter dem Motto: Moderne Kommunikationsmittel verleihen Macht. Alle prämierten Arbeiten sind vom 1. bis zum 31. Oktober 2021 im Foyer des FMP1, in der Nähe des Berliner Ostbahnhofes, zu sehen.

Wolfs ausgezeichnete Fotoserie „Himmel/kein Himmel“ (2019) ist Teil einer Werkgruppe, die die politischen Veränderungen der türkischen Metropole Istanbul anhand der Architektur und kleinen Symbolen im Stadtbild – Werbeplanen, Plakaten, Fahnen – nachzeichnet. Es ist eine schleichende Veränderung.

Die Bilder entstanden alle in der Zeit des Präsidentschaftswahlkampfs im Juni 2018. Der Bremer Galerist und Kunstkritiker Radek Krolczyk schrieb dazu: „Die ganz großen Bilder legen sich über die Stadt. Sie legen sich sanft, sie schmiegen sich an, sie wehen im Wind, sie decken zu, sie nehmen das Licht, sie ersticken. Die wirklich großen Bilder bewegen sich flexibel; man findet sie auf Planen oder Stoff. Vor Wahlen und an Nationalfeiertagen werden die großen Bilder größer; sie legen sich dichter über die Stadt und lassen alle anderen Bilder unwichtig erscheinen und klein. Das größte aller Bilder ist die Fahne der Türken, in einem Rot die weite Fläche, darauf der Halbmond, dann noch der Stern. Zu den letzten großen Wahlen 2018, bei denen sowohl das Parlament als auch der Präsident gewählt wurde, verdeckten rote Fahnen den Himmel über dem breiten Tarlabaşı Boulevard. Selbst der Himmel wurde so zum Teil des Vaterlandes und trug mit Stern und Halbmond seine eigenen vaterländischen Gestirne. Türkische Fahnen waren auch über die Fassaden ganzer Häuserblocks gespannt und verdeckten so die Fenster. Immer findet sich irgendwo in den Straßen ein Händler, der die roten Nationalfahnen in Größen für den Hausgebrauch mit sich schleppt. Es scheint, als wollten sie einem möglichen Mangel an roten Nationalfahnen zuvorkommen. Es scheint so, als gehörte die rote Nationalfahne neben den anderen Straßenwaren, wie Taschentüchern, Wasserflaschen und gegrillten Maiskolben zu den Dingen des ständigen Gebrauchs.“

Der Namensgeber des Preises, Willi Münzenberg (1889-1940), zählte 1919 zu den ersten KPD-Mitgliedern, organisiert die Internationale Arbeiterhilfe und baut ein Medienunternehmen auf, das der KPD in der Weimarer Republik zu großer Popularität verhalf. Den Nationalsozialisten verhasst und als einer der Ersten ausgebürgert, gründet er in Paris den Exilverlag Éditions du Carrefour, initiierte das „Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror“ und engagierte sich im sogenannten Lutetia-Kreis für eine Deutsche Volksfront. Nach Konflikten innerhalb der KPD kam es zum Bruch mit der Partei. 1938 gründete er die Zeitschrift „Die Zukunft". Auf der Flucht aus dem Internierungslager kam Münzenberg ums Leben; bis heute sind die Todesumstände ungeklärt.