Beethoven meets Jazz
Spannungsvolles BelauernDie Schlange der Besucher, die ein Ticket erwerben oder abholen will, kringelt sich in vielen Windungen um die Säulen das Kassenfoyers in der Glocke. Das Interesse ist groß an der „Beethoven meets Jazz“-Veranstaltung, für die das Hochschulorchester der HfK Bremen unter der Leitung von Thomas Klug die 7. Sinfonie von Ludwig van Beethoven einstudiert hat. Obwohl Interpretationen des Werkes vom Originalklangpionier bis zum sinfonischen Breitwandkino in wohl jeder erdenklichen Nuance bereits eingespielt sind, findet der Fachbereich Musik einen neuen Dreh und platziert zwischen die vier Sätze drei Kompositionen von Malte Schiller für Sinfonieorchester und Jazzsextett.
Eine frische, freche und keineswegs abwegige Kombination. War Ludwig van Beethoven doch ein früher Jazzer. Er besaß die Fähigkeit, aus unscheinbaren Motiven ganze musikalische Universen zu entfalten und liebte es, in freien Klavier-Improvisationen davon zu schweben. Wohl kein anderer klassischer Tonsetzer hat zudem mit so viel „Drive“ komponiert wie Beethoven. Gerade in der 7. Sinfonie feiert er die elementar tänzerische Kraft des Rhythmischen und steigert sie im vierten Satz mit treibenden Offbeats bis ins Exzessive.
Das 50-köpfige Hochschulorchester besetzt fast jeden Quadratmeter der Bühne, das Jazzsextett – bestehend aus Oliver Groenewald (Trompete), Martin Classen (Saxophon), Erik Konertz (Posaune), Oliver Poppe (Klavier), Markus Schieferdecker (Kontrabass) und Christian Schoenefeldt (Schlagzeug) – nimmt bescheiden Platz im unsichtbaren Hintergrund. Es bestimmt aber das Vorspiel:„Florestan’s Journey" von Oliver Groenewald, aktuell Artist in Residence an der HfK Bremen. Sein Stück versucht jazzige Ausdrucksformen in eine sinfonische Klangsprache zu integrieren, ohne dabei über die Strenge zu schlagen. Also zwei verschiedene musikalische Richtungen zu vereinen. Das Ergebnis ist ihr spannungsvolles Belauern. Es gibt vorsichtige solistische Einwürfe der Jazzer und freundliche Widersprüche unisono agierender Streicher. Stets ordnen sich die Jazzideen der klangschönen Orchesterrede unter – mit Witz und pulsierender Vitalität.
Nun ist das Orchester bestens eingestimmt für die feinziselierte Partitur, mit der Beethoven den Vorgabenkatalog der klassischen Sinfonie erfüllte und seine Ketten sprengte. Hellwach und kraftvoll finden die jungen Musiker:innen in der Klangrede zusammen und feiern die wuchtigen Effekte der Komposition. Fortissimi und Akzentuierungen kommen druckvoll daher, die Rhythmik entfaltet sich dynamisch als reine musikalische Energie. „Unter dem straffen Dirigat von Thomas Klug imponierte das Orchester bei Beethovens Kopfsatz mit durchgehend ausgefeilter Spieltechnik und energischer, gleichwohl feinsinniger Interpretation“, lobt Gerd Klingeberg in seiner Weser-Kurier-Rezension und ergänzt, „alles Jazzige wurde geradezu hinweggefegt von der ungestümen Parforcejagd des beethovenschen Finalsatzes, die das HfK-Orchester mitreißend furios und mit nie nachlassender Stringenz inszenierte.“ Laut Klingeberg endet die Battle Jazz vs. Wiener Klassik mit einem klaren Punktsieg für Beethoven. Das Publikum bejubelt alle Mitwirkenden des Konzerts.