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Dienstag | 6. Februar 2024

Erheitern lernen

Interview mit Gregor Horres, Regisseur des HfK-Opernprojekts „Il matrimonio segreto“
Gregor Horres.
Regisseur Gregor Horres. © HfK Bremen

Fürs aktuelle Opernprojekt haben Sie als Stoff „Il matrimonio segreto“ von Domenico Cimarosa ausgewählt, warum?

Gregor Horres: Es ist eines für junge Sänger:innen. Sie können sich gut präsentieren und werden nicht überfordert. Man braucht sechs Solist:innen, jede/r hat eine Arie, man kann also intensiv mit ihnen alleine arbeiten, es gibt aber auch Ensembles, so dass das Zusammenspiel ebenfalls sehr gut zu trainieren ist.

Gibt es nicht mehr als sechs interessierte Gesangstudierende an der HfK Bremen?

Doch, doch. Wir arbeiten jetzt schon zwei Semester an diesem Projekt, es haben anfangs auch mehr mitgemacht, im Sommersemester gestalteten wir einen Szenenabend aus dem 1. Akt, in dem wir die Rollen fliegend gewechselt haben, einige Sänger:innen verließen dann aber das Projekt, jetzt sind noch neun beteiligt, drei Rollen also doppelt besetzt. In der Premiere und der dritten Vorstellung singt die Erstbesetzung, am zweiten Abend die Zweitbesetzung. 

Die Handlung wirkt recht albern, ein hin und her und kreuz und quer wogendes Begehren und Lieben, im Zentrum steht ein Paar, das heimlich heiratet, weil ihre Verbindung nicht den gesellschaftlichen Konventionen der Eltern entspricht. Ist das Thema auch heute noch erzählbar, oder muss man es aus der historischen Distanz des 18. Jahrhunderts inszenieren?

Wenn man das Thema in einen anderen kulturellen Hintergrund, etwa einer streng religiösen Familie packt, kann man das auch heute noch erzählen. 

Ein klassischer Regietheateransatz.

Genau. Aber das entspricht dann nicht der neapolitanischen Heiterkeit der Musik. Und ich bin auch nicht der Richtige dafür, der Leichtigkeit etwas Ernstes aufzudrücken. Außerdem denke ich, die Probleme, die wir heute haben, etwa mit Zwangsehen, die sollten wir auch heute vertonen, dafür eine neue Musik finden. So wie Ludger Vollmer das mit „Gegen die Wand“ gemacht hat, Uraufführung war 2008 am Theater Bremen. 

Genau, dort wird ja auch versucht, mit einer Ehe den Zwängen des Elternhauses zu entkommen, es ist die Liebesgeschichte zweier Deutschtürk:innen, die vom täglichen Balanceakt eines Lebens zwischen den Kulturen psychisch beschädigt sind und nach ihrer Identität suchen, während die Partitur klassische europäische und orientalische Musiktraditionen sowie den Klang der für sie typischen Instrumente amalgamiert. So geht Musiktheater heute.

Ja, da stimmt es dann. Thematik, Musik sowie die Zeit der Handlung und Aufführung sind eins.

Sie lassen jetzt eine Oper aus dem Jahr 1792 in der Zeit spielen, in der sie geschrieben wurde?

Die Kostüme sind etwas modernisiert und das Bühnenbild ist es auch. Alle Figuren treffen bei uns mit ihren Interessen und Sehnsüchten in einem Hotelflur aufeinander, ein toller Ort für diese komödiantisch überraschungsreichen Tür-auf-Tür-zu-Spiele mit all den Verwechslungen. 

Da strahlen Sie ...

... ja, wir haben es nach der Coronazeit immer noch mit einem Opernpublikum zu tun, das vor allem unterhalten werden will. Das bedeutet ja nicht Blödsinn, sondern Erheiterung, wenn man es gut, also präzise und temporeich macht. Darin können sich die Studierenden üben in unserer Produktion.

Auch im szenischen Spiel?

Ja, man steht nicht mehr nebeneinander und singt das, was man gelernt hat, da entwickelt sich so nach und nach in den Proben ein tatsächliches Miteinander. 

Wie sieht Ihr Schauspielunterricht für die Sänger:innen an der HfK aus?

Da arbeite ich ohne Sprache und ohne Gesang, dass man ohne den Druck des Singens nur mit dem Körper arbeitet, Situationen erfindet und zu verdeutlichen versucht, was man erzählen will mit der Figur, mit der Szene. Die Kommiliton:innen geben dann Rückmeldung, was sich davon vermittelt. Ein Training der Beobachtung, Reflexion und Selbstwahrnehmung. 

Gesungen wird Italienisch, übersetzt per Übertitelung.

Die Zuschauer:innen sollen ja wissen, was gesungen wird, aber auch die Sänger:innen dürfen den Text nicht nur phonetisch lernen, sondern müssen auch die Inhalte und implizierten Gefühle kennen.

Die Rollen sind aber keine tiefenscharf ausgeloteten Charaktere wie bei Mozart.

Genau. Die Figuren sind grobschlächtiger gezeichnet ...

... wie die Typen in der Commedia dell’Arte ...

... im Grunde kommen alle daher. Der böse Alte, die Schrullige, das junge etwas verrückte Mädchen, der Liebhaber ... aber trotzdem ist es für die Sänger:innen bei jedem Auftritt wichtig zu wissen, warum trete ich jetzt auf, was will ich, warum und wie gehe ich dann wieder ab.

Konnten Sie Geschichten zwischen den Figuren entwickeln?

Das ist wahnsinnig schwierig. Ich habe eine deutsche Sängerin, alle anderen kommen aus anderen Ländern, etwa Südkorea. Da gibt es viele sprachliche Barrieren wie auch kulturell bedingt sehr unterschiedliche Vorstellungen etwa von Männer- und Frauenrollen, von Körperlichkeit, vom Umgang untereinander. Da muss man behutsam mit umgehen. Das braucht Zeit.

Die Produktion gehört ja zur Ausbildung.

Genau, nicht die absolut perfekte Aufführung ist das wichtigste Ziel, sondern dass die Beteiligten was mitnehmen, was lernen. 

Sie haben das Stück ja schon am Landestheater Linz inszeniert mit Studierenden des Kooperationspartners Anton Bruckner Privatuniversität. 

Das ist so eine Coronaleiche. Es gab nur eine Aufführung, dann durften wir nicht mehr spielen. Dreimal haben wir die Wiederaufnahme geprobt, immer vergeblich.

Nun kommt das dortige Konzept mit dem Hotelflur als Spielort eben in Bremen zu weiteren Aufführungen. Warum ist das erlebenswert?

Weil es witzige, spritzige Musik gibt, pure Unterhaltung und einen guten Einblick in das, was Gesangstudierende und Instrumentalist:innen an der HfK lernen.

Da sind wir neugierig. Vielen Dank für den Einblick.

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Biografische Notiz

Die diesjährige Operninszenierung der HfK Bremen ist die letzte für Gregor Horres. Seit Oktober 2008 unterrichtet er szenische Gestaltung an der Dechanatstraße und führt Regie bei den Musiktheaterprojekten. Jetzt will er den Job an jüngere Kolleg:innen übergeben. 

Gregor Horres, Jahrgang 1960, ist seit der Spielzeit 2016/2017 der Leiter des Oberösterreichischen Opernstudios des Landestheaters Linz und der Anton Bruckner Privatuniversität. Der Opernregisseur studierte Kunstgeschichte, assistierte Karl Kneidel und Gerd Heinz am Staatstheater Darmstadt und wechselte mit ihnen 1993 nach Freiburg, wo er begann, selbst Regie zu führen. 1998 wurde Horres Oberspielleiter am Theater Bielefeld. Als freier Opernregisseur inszenierte er ab der Spielzeit 2005/2006 an diversen Bühnen, etwa „Der fliegende Holländer“ (Wagner) und „Die Frau ohne Schatten“ (Richard Strauss) in Mannheim, „Das Gesicht im Spiegel“ (Jörg Widmann) an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf und „La Bohème“ am Staatstheater in Schwerin. 

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Die Aufführungen des Opernprojekts „Il matrimonio segreto“ von  Domenico Cimarosa finden statt am 15., 17. und 19. Februar 2024, jeweils 19:30 Uhr, im Speicher XI A der Hochschule für Künste Bremen.

Mitwirkende:
Sänger:innen und Sinfonieorchester der HfK Bremen
Regie | Gregor Horres
Musikalische Leitung | Marco Comin
Einstudierung | Ekaterina Kausch, Alice Meregaglia
Ausstattung & Kostüme | Heike Neugebauer
Technische Leitung | Max Geßelmann-Michaelis, Michael Hinrichs
Projektleitung | Maria Kowollik