„Mache dein Ding, was Besonderes“
Gespräch mit Student Joshua Dantz über die Bewerbung fürs Studium der Digitalen MedienName: Joshua Dantz
Jahrgang: 2000
Geboren in: Bremen
Lieblingsort: Im Sommer am Osterdeich sitzen mit einem Haake-Beck-Bier in der Hand
Lieblingsmusik: Irgendwie alles, aber vor allem Techno
Lieblingsgetränk: Club Mate
Lieblingssport: Floorball
Semester: 8. Semester, startet jetzt mit der Bachelor-Arbeit
Du studierst Digitale Medien. Bist du IT-Entwickler, Designer, Programmierer, Künstler?
Designer.
War das von Anfang deine Idee, als du mit dem Gedanken gespielt hast, zu studieren?
Nee, ich bin da so hineingestolpert. Ich hatte nach dem Abitur ein Jahr Pause gemacht, dann fragte mich ein Bekannter von einer Bremer Agentur für ein Projekt an – seit mittlerweile über vier Jahren bin ich dort nun Mediengestalter. Wir machen Wissenschaftskommunikation für Museen und Science Center, also alles von Ausstellungen und Infografiken über Plakate, Erklärfilme bis hin zu Ausstellungsraumsimulationen in 3-D.
Du hast also eine Ausbildung bekommen?
Nee. Das habe ich mir alles selbst draufgeschafft. Ein Lehrer in meiner Schulzeit hatte bei mir das Interesse daran geweckt, so dass ich schon in der Jugendzeit angefangen habe zu gestalten.
Für dich privat?
Ich hatte mir damals für 16 Euro mein erstes Vektorprogramm Logoist gekauft und für meinen Sportverein zuerst so Social-Media-Sachen und Druckerzeugnisse gestaltet, aber auch Klamotten, T-Shirts, was man so braucht. Dann habe ich mir als Alternative zu den teuren Adobe-Produkten das Affinity-Designer-Programm geholt und mir irgendwann auch Photoshop geleistet – dann ging es richtig los.
Wie kam die Hochschule ins Spiel?
Mein Chef in der Agentur hat gesagt, hey, wie wäre es denn mal mit einem Studium? Wohin und was, dafür hatte ich erst nicht so richtig den Plan. Aber mir war schon klar, studieren wäre gut. Habe mich dann online umgeschaut bei Unis, „Kunsthochschule Deutschland“ gegoogelt, mich näher mit dem Studium Visuelle Kommunikation in Kassel und Medienkunst in Leipzig und eben mit Digitale Medien der HfK beschäftigt. Mir war schnell klar, das ist genau das, was ich bisher getan hatte, da hatte ich auch weiter total Lust drauf. Trotzdem sprach ich noch mit ehemaligen HfK-Studierenden, die lobten alle die HfK. Also wollte ich dort auch hin.
Dann funktioniert ja die Mund-zu-Mund-Propaganda.
Klar.
Was waren die Aspekte, Gründe, die besonders für die HfK sprachen?
Das tolle alte Speichergebäude passt irgendwie super zu Bremen und ist halt nicht so ein steriles Ding ...
... wie die Betonunis ...
... exakt. Der Speicher ist genau das Gegenteil von der Universität Bremen. Und die Möglichkeiten in all den Werkstätten im Speicher XI fand ich sofort cool. Auch die Herausforderung, dass das Digitale-Medien-Studium super frei ist. Dass ich also im Prinzip kaum etwas beigebracht bekomme in dem Sinne, dass jemand jede Woche vorne in einem Saal mir was erzählt und ich schlafe ein. Sondern Lehrende unterstützen mich in meinem Lernprozess. Selbststudium. Das ich also weiter meine Sachen machen kann und dabei immer mehr dazulerne.
In welche Richtung?
Digitale Mediengestaltung hat hier einen künstlerischen Ansatz, also man gestaltet nicht nur eine Website, beispielsweise, sondern geht darüber inhaltlich und ästhetisch hinaus, macht was Größeres, das auch ausgestellt werden kann. Da ist alles möglich.
Macht es das einfacher oder schwieriger, anscheinend unendlich viele Möglichkeiten zu haben, um mehr als einen Gebrauchsgegenstand zu gestalten, sondern mit den Mitteln der Symbolisierung bestimmte Aspekte der Wirklichkeit und Aussagen dazu sichtbar zu machen und so beim Betrachter ein Echo, Emotionen oder Fragen oder neue Sichtweisen hervorzurufen, also Kunst zu machen?
Das ist Fluch oder Segen zugleich. Ich finde es toll, jedes Semester neu, wirklich bei Null zu starten, ohne zu wissen, was da am Ende passiert und herauskommt. Aber es ist auch sehr herausfordernd, seine eigenen Ideen zu finden und umzusetzen.
Wie gings los mit der Bewerbung? Schritt 1 ist ja, eine Mappe mit deinen Arbeiten zu erstellen. Wusstest du, wie das geht?
Überhaupt nicht. Ich hatte keine Ahnung, was ich da reinmachen soll. Lebenslauf, klar.
Was sollte dort drinstehen.
Die Erfahrungen, die man bisher gesammelt hat und auf jeden Fall die gelernten Fähigkeiten. Also ich würde jetzt zum Beispiel nicht jedes Praktikum aufnehmen, sondern nur das, was gut zur Kunsthochschule und am besten zur eigenen Identität passt.
Und was war für die Mappe noch verlangt?
20 Arbeiten sollten ich einreichen, das war die Vorgabe. Ich hatte keinen Bock, dafür einen Mappenkurs zu absolvieren oder Videos zum Mappenmachen zu gucken, habe also nur mit Leuten geredet, die sich schon mal an der HfK beworben hatten. Die rieten mir, zeige nicht nur, du hast das und das schon gemacht, kennst dies und das. Und schaue auch nicht, was andere machen, scheiße, mache dein Ding, was Besonderes, denk dir was Neues aus. Versuche herauszustechen. Sei divers in den Tools, die du benutzt. Sei kreativ. Wage was Kontroverses.
Und wie bist du vorgegangen?
Ich wollte ein eigenes Projekt entwickeln und die Mappe mit Arbeiten auffüllen, die ich schon in der Agentur oder beim Sportverein gemacht hatte. Ich spielte auch mal ein paar Jahre mit Fotografie herum, merkte aber, Talent ist da nicht so wirklich vorhanden. Trotzdem habe ich – wegen der Vielfalt – auch davon was mit in die Mappe gepackt. Und die dann mit einem eigenen Design von vorne bis hinten durchgestaltet.
So eine CI für dich?
Im kleinen Rahmen, genau.
Hast du dein neu entwickeltes Projekt für die Mappe im digitalen Raum gestaltet?
Nein, gar nicht. Ich habe mir ein physisches Brettspiel ausgedacht und hergestellt, es hieß „Die große Pandemie“ und dreht sich um die Frage, handelt man besser gemeinsam oder jeder für sich allein beim Kampf gegen das Coronavirus. Ich wollte zeigen, dass man als Gesellschaft zusammenhalten und nicht gegeneinander agieren sollte.
Bist du mit diesem politischen Ansatz richtig an der HfK, die sich als Institution ja nach außen eher aus aktuellen Diskursen heraushält?
Hier unter Studierenden ist fast nichts unpolitisch, in fast jeder Arbeit ist eine politische oder gesellschaftliche Grundkomponente. Wenn ich mir angucke, was die Kommiliton:innen so machen, sieht man immer, welche Werte und Einstellungen sie haben und wie sie die vertreten.
Gibt es einen Grund, warum gerade politisch aktive Menschen an der HfK sind?
Ich würde sagen, Bremen gilt schon als eher liberale Stadt, das Image zieht politisch interessierte Studierende bestimmt auf gewisse Weise an ...
... Bremen als linke Metropole ...
... schon irgendwie, außerdem gilt die HfK halt nicht als elitäre Gemeinschaft, sondern hat schon das Image einer inklusiveren Kunsthochschule, alles ist hier auch ein bisschen rougher als etwa im Gegensatz zur eher cleanen Universität.
Wie lange durftest du an deiner Mappe arbeiten?
Theoretisch hatte ich sehr viel Zeit, fand es aber super, bis zum letzten Moment zu warten. Letztlich habe ich vier Monate an der Mappe gearbeitet, dann aber wirklich jeden Tag. Besser wäre es gewesen, vier Monate eher anzufangen.
Nachdem die Mappe eingereicht ist, was passiert dann?
Ich habe auf die Bewertung gewartet. Die war positiv. Man kriegt ja eine Punktzahl und muss dabei über einen Mindestwert kommen, man brauchte 60 von möglichen 100 Punkten, um sich für die zweite Bewerbungsrunde zu qualifizieren. Ich hatte zum Glück 82 Punkte bekommen. Als die Mail mit der Mitteilung kam, war meine Freude schon groß. Da hatte ich einen kleinen Ego-Boost. Hey toll, das kommt ja an, was ich gemacht habe. Dann folgte die Einladungen zur Aufnahmeprüfung, etwa einen Monat nach der Mappenabgabe, und zum Fachgespräch.
Was bedeutet Aufnahmeprüfung?
Es war eine künstlerisch-gestalterische Hausaufgabe. Man hatte drei komplette Tage Zeit, sie zu erledigen.
Worum ging es?
Das Thema „Zufall“ hatte man mir zugeschickt.
Und du warst wieder frei, alles war möglich?
Genau. Und ich hatte vor, mit der Idee vom genetisch perfektionierten Menschen zu spielen, dass man sich Kinder nach eigenen Wünschen bestellen, Gott spielen kann. Dagegen wollte ich zeigen, wie jeder Schritt, den perfekten Menschen zu gestalten, ein zufälliger Schritt ist. Daher nahm ich eine Dartsscheibe zum Ausschneiden, dazu hängte ich 15 angeblich ideale Promiköpfe an die Scheibe, wen der Pfeil durchbohrte, war dann eben der Kopf des zu kreierenden perfekten Menschen. Im zweiten Schritt konnte man die Kleidung erwürfeln, dann Eigenschaften mit dem Himmel-und-Hölle-Spiel festlegen und am Ende den selbst geschaffenen Menschen in einer 3-D-Animation anschauen.
Der perfekte Mensch ist eine subjektive Erfindung, wolltest du das ausdrücken?
Ja, und auch, dass das Verlangen danach ein bisschen Quatsch ist.
Konnte man sich auf die Hausarbeit irgendwie vorbereiten?
Man wusste ja vorher nicht, worum es gehen soll. Ich war anfangs völlig überfordert, habe dann das Gespräch mit Freund:innen gesucht, dabei wurde die Idee geboren und dann hatte ich ja keine Zeit mehr groß weiterzudenken, dann gings sofort ans Machen, dabei reifte das Konzept.
Man hätte es auch andersherum machen können, sich was Tolles ausdenken und das dann aufs zugesandte Thema runterbrechen.
Klar, aber ich bin halt ohne viel Vorarbeit darangegangen.
Mit der Einstellung: Ich bin so wie ich bin und es reicht, was mir schnell dazu einfällt?
Mir war ja von vorhinein klar, wenn ich etwas mache, was so ähnlich auch 30 andere machen, dann kannst das noch so gut sein, du hast damit bestimmt keine Chance hier auf einen Studienplatz, weil die ja Studierende mit einem breiten Spektrum an Interessen und Kompetenzen haben wollen, damit man sich gegenseitig helfen kann. In jedem Semester gibt es daher einen möglichst heterogenen Mix mit Leuten, die gern out of the box kommen.
Du hattest Glück, Bremen und HfK-Absolvent:innen zu kennen. Gibt es für Menschen von außerhalb Möglichkeiten, solche Kontakte herzustellen?
Schwierig. Aber es lohnt sich beim AStA mal nachzufragen oder dem Alumni-Netzwerk und bei den Hochschultagen vorbeizuschauen.
Ist es notwendig, sich vor der Bewerbung einen internen Einblick zu verschaffen?
Nein. Wenn man Lust auf das Studium und Fähigkeiten dazu hat, das wirklich will und sich auf der Website der Digitalen Medien mal umschaut, was da so für Projekte laufen, dann reicht das meiner Meinung nach für den Bewerbungsprozess.
Muss man selbstbewusst sein – so wie du?
Ich glaube: Ja! Und vielleicht einfach mal versuchen.
Nach der Hausaufgabe folgt Teil 3 der Bewerbung.
Ja, so zwei Wochen danach gab es ein Gespräch mit drei Professor:innen, das auf 20 Minuten angesetzt war.
Hast du dich darauf vorbereitet?
Gar nicht. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Ich war total nervös, schweißgebadet.
Hattest du dich besonders schick angezogen?
Nee, ich trug den normalen Hoodie.
Was wurdest du gefragt?
Da ich ja zwei Spiele eingereicht hatte, wollten die wissen, ob bei uns im Haushalt viel gespielt werde. Das war der Einstieg. Dann wurde gefragt, worauf ich Lust habe.
Und?
Da ich von Programmieren keine Ahnung hatte, habe ich gesagt, das würde ich gern erlernen.
War das ein ernstes Gespräch?
Och, eher locker, sympathisch. Das hat mir die Anspannung genommen. Auch habe ich versucht, lustig zu sein, das kommt in Stressmomenten immer mal wieder aus mir raus, hat ganz gut funktioniert.
Wurde dir nach dem Gespräch gleich gesagt, ob du angenommen bist?
Überhaupt nicht. Das erfuhr ich erst so drei Wochen später durch einen Brief. Den habe ich geöffnet, ganz laut Scheiße gesagt und dann meine Freundin angerufen. Das war einfach toll. Auch weil ich ja keinen Plan B hatte, nur die HfK als Plan A.
Wie lief das Studium an?
Ich war total euphorisch, das wurde schnell gebremst durch Corona damals 2020. Erst im 3. Semester ging es für mich richtig los. Ich habe ganz viel ausprobiert, Videoinstallationen, Webdesign, Programmierung, mit Holz Ausstellungsobjekte gebaut, Plakate gestaltet, mit Elektronik gearbeitet und im Auftrag einer Firma auch mal ein Produkt entwickelt und designt.
Was hast du über dich gelernt im Studium?
Ausgangspunkt ist für mich immer meine Neugier an neuen Tools und Möglichkeiten, dabei bin ich mein eigener Chef und selbstverantwortlich für das, was ich mache. Das ist mein Hauptding, das wurde mir klar.
Was wirst du machen, wenn du die HfK verlässt und in der bösen kapitalistischen Welt überleben musst?
Ich denke den Prozess von Projekten zu begleiten, zu lenken, Projektmanagement, das ist wohl das, was mir langfristig Spaß machen wird. Dafür würde ich nach dem Studium gern nach Leipzig ziehen.
Lieber Joshua, danke für das Gespräch.
Interview: Jens Fischer