Farbstark, humorvoll, radikal gegenwärtig – so kann das uralte Medium Holzschnitt sein. Begleitend zur Ausstellung „Kirchner Holzschnitte“ in der Kunsthalle Bremen setzten sich HfK-Studierende unter der künstlerischen Leitung von Gabriela Jolowicz mit dem Holzschnitt auseinander und mit Ernst Ludwig Kirchner, dem gefeierten Star des Expressionismus. Im neuen Studiensaal des Kupferstichkabinetts wird bis 21. April 2025 eine Auswahl ihrer experimentellen Ansätze unter dem Titel „Schnittmenge“ präsentiert. Die Arbeiten holen Kirchners Bildwelt ins Hier und Jetzt, interpretieren sie neu und vermischen sie mit der Alltagswelt einer jungen Generation.
Gab es Vorgaben für die Studierenden? „Von der Kunsthalle nicht“, betont Gabriela Jolowicz, „aber ich habe ein Thema gesetzt. Kirchner war ja nie in Bremen, also sollten sich die Studierenden mal vorstellen, er würde heute nach Bremen kommen. Wen hätte er getroffen, wo wäre er hingegangen? Die Studierenden haben die Atmosphäre in ,Viertel'-Kneipen festgehalten, in die sie gerne gehen, und in der Stadtlandschaft, etwa im Hafen, alltägliche Situationen abgebildet, ganz unterschiedliche Arbeiten sind entstanden. Im Hintergrund stand immer die sehr intensive Beschäftigung mit Kirchner und mit der Holzschnittkunst, wobei wir auch viel in digitalen Archiven etwa des MoMA (New York) oder Städl (Frankfurt/Main) recherchiert und Bücher durchgeschaut haben, die ich zum Thema mitgebracht hatte.“
In einem weiteren Kurs näherten sich Studierende aus einer anderen Perspektive der Holzschnittkunst Kirchners. Jolowicz: „Ein Mäzen Kirchners, Gustav Schiefler, hat Bücher mit allen seinen Grafiken herausgebracht, allerdings nicht die Bilder, sondern Bildbeschreibungen, die sind ganz reduziert und total charmant. Da steht dann beispielsweise nur: ,Eine im Café um einen Tisch sitzende Gesellschaft von vier Personen. In der Ecke des Raumes, welche den Hintergrund bildet, springt ein Schornstein rechtwinklig hervor.' Oder: ,Im Vordergrunde auf dem Fußsteig zwei sich begegnende Damen. Jenseits eines Beetes in einem Park liegt ein Mann, dahinter Buschwerk.' Irgendwie konkret und dann auch wieder nicht. Herrlich genau dazwischen. Die Studierenden haben zu den Beschreibungen Holzschnitte gemacht, meist ohne das Original zu kennen.“
Auf die literarische Visualisierungsstrategie von einst mit einer eigenen Bildsprache aus der heutigen Zeit zu reagieren, konnten das die Studierenden? „Es wurde ausprobiert, dann geguckt, was man gut findet, darüber geredet, weiter experimentiert. Jeder für sich, aber auch in Reflexion auf das, was Kirchner gemacht hat und was gerade die Kommilition:innen so machen. So haben Studierende ihre Handschriften gesucht und gefunden“, so Jolowicz.
Das ausführliche Gespräch mit Gabriela Jolowicz ist hier zu lesen
Von dem Projekt „Schnittmenge“ ist es auch zur „Schnittstelle“ nicht weit, dem Mitmachraum in der Kirchner-Ausstellung: Im diesem offenen Atelier können Besuchende bis 9. März 2025 zweiwöchentlich, jeweils dienstags und samstags von 14 bis 17 Uhr, Studierenden beim Holzschneiden über die Schulter schauen. Und auch selbst den Holzschnitt ausprobieren. Die genauen Termine sind im Kunsthallen-Kalender zu finden.