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Mittwoch | 28. April 2021

Was macht eigentlich: Prof. Patrick O'Byrne

Dekan Fachbereich Musik

In unserer Rubrik „Was macht eigentlich…?“ erzählen Hochschulangehörige von und über ihre Arbeit.

Seit 2002 ist der Pianist Patrick O'Byrne HfK-Professor für Klavier und wurde im Dezember 2020 zum Dekan des Fachbereichs Musik gewählt. Darüber sprachen wir mit dem in Dublin geboren und in Neuseeland aufgewachsen Künstler.

Ein Dekan ist traditionell mit Eure Spektabilität anzureden, das klingt nach Macht. Zumindest nach etwas Macht. Denkt der eitle Altlateiner in mir doch bei Ihrem Titel an Decanus, also dem Führer von zehn Mann – was übertragen auf das Jahr 2021 vielleicht einer Leitungsposition in der mittleren Verwaltungsebene entspricht. Was und wen leiten Sie?
Da ein Rektor oder eine Rektorin es zeitlich nicht schaffen, die beiden Fachbereiche Kunst und Design sowie Musik zu bedienen, wurde die Position des Dekans geschaffen.

Und Sie sind der Chef für die Musik?
Das klingt sehr wichtig, aber ja, es stimmt.

Sie bestimmen also die Zukunft der Studiengänge und -möglichkeiten und moderieren die Interessen im Fachbereich? 
Danke für das Stichwort. Ich sehe meine Rolle als Dekan tatsächlich darin, ausgleichender Moderator zu sein.

Außer für alles, was an der Dechanatstraße passiert, die Verantwortung zu übernehmen – was haben Sie als Dekan denn konkret zu tun?
Man hat täglich eine Flut von E-Mails zu bewältigen. Ich bin alte Schule, also nicht besonders Internet-affin, und versuche daher mit meinen zwei Dekanatskolleginnen, Katrin Scholz und Maria Kowollik, die Nachrichten abzuarbeiten. Ich kümmere mich aber auch in den Gremien und vor Ort um die Qualität der Lehre, die Umsetzung der Corona-Regeln und bin zuständig für die Finanzen.

Ein klassischer Streitpunkt.
Natürlich gibt es immer wieder Proteste, man stößt auch auf Unverständnis mit seinen Entscheidungen, der einzige Weg für ein Miteinander ist da die Kommunikation miteinander. Daher lege ich Wert auf Transparenz, ermögliche also allen Entscheidern den Zugriff auf alle Daten, lege auch dem Fachbereichsrat alles offen, was wir an Mitteln haben und wie wir warum damit umgehen oder umgehen sollten – etwa bei der Kursmittelverteilung. Meine Aufgabe ist es, dabei neutral zu bleiben.

Wie erhöhen Sie die Qualität der Lehre?
Durch die Auswahl des Personals. Derzeit sind viele Stellen neu zu besetzen und da es Musiker:innen gerade nicht möglich ist, weltweit zu konzertieren, haben sie vermehrt Interesse an der Lehre als Einkommensmöglichkeit. So gibt es jetzt sehr gute Chancen, wirklich Top-Kolleg:innen an die HfK zu holen.

Sind Top-Musiker auch Top-Pädagogen?
Können sie sein. Aus meiner Sicht unterrichtet man am besten, gezieltesten, förderlichsten, wenn man fast gar nichts macht. Man wartet, psychologisch gesehen, darauf, eine Jalousie hochzuziehen, ein Fenster zu öffnen, damit der/die Studierende auf Ideen kommt – ein Selbsterkennungsprozess stattfindet. Den müssen wir Lehrende initiieren und entwickeln.

Sie müssen ja die Stellenbesetzungen im Fachbereich priorisieren, wo ist gerade der größte Bedarf?
Wir müssen die Orchesterfähigkeit herstellen, uns fehlen ja nach wie vor zum Beispiel Posaune, Trompete und Horn, die entsprechenden Professuren sind neu zu besetzen, die Flöten-Professur wurde gerade zur Wiederbesetzung ausgeschrieben. Unglaublich froh und sehr dankbar bin ich, dass die Wissenschaftsbehörde trotz des eingefrorenen Hochschulentwicklungsplans neun Stellen für Lehrkräfte entfristet hat, so dass wir die Kolleg:innen nicht auf die Straße und in prekäre Verhältnisse entlassen müssen.

Ist Dekan ein beliebter Nebenjob?
Nein. Jeder weiß, man hat als Dekan viel mit Verwaltung zu tun und muss dafür reichlich Zeit investieren. Gerade für Künstler:innen, die ihre Karriere und Klasse aufbauen, wirkt das wenig reizvoll. Deswegen konnte dieses Amt letztes Jahr nicht besetzt werden, niemand wollte es übernehmen. Daher hat man mich, ein Auslaufmodell des akademischen Betriebs, angesprochen und aus dem Ruhestand zurückholt, um ein bisschen zu helfen, zumindest befristet für anderthalb Jahre.

Warum haben Sie zugesagt?
Für mich ist das kein undankbarer Job, ich habe das auch gemacht, weil so viele Pläne in Coronazeiten verschoben werden mussten. Ich darf nicht reisen, niemanden treffen, sitze immer im Homeoffice herum, meine Lebenspartnerin lebt in Südkorea, wir haben uns ein Jahr nicht gesehen, mein Privatleben ist auf Eis gelegt. Und meine Familie ist in Neuseeland und Irland beheimatet, die kann ich nicht besuchen, mein Sohn studiert an der TU München, den sehe ich nicht, meine Tochter lebt in Barcelona und ich sitze hier in Bremen zu Hause auf der Teerhof-Insel. Seit einem Jahr habe ich keinen Schritt aus Bremen herausgetan. Dabei aber endlich mal Natur wahrgenommen. Ich wusste ja bisher gar nicht, wann die Schwalben kommen, die Mauersegler eintreffen, wann die Nachtigallen anfangen zu singen. Die Gegend am Werdersee ist mein Garten geworden. Aber ich wollte auch was tun und habe nun vor, als Dekan zu bleiben, bis ich 95 bin … (lacht)

Was ist das Besondere des Musikstudiums an der HfK?
Dass man hier unter anderem sehr fundiert Alte Musik studieren kann, das ist eine Bremer Spezialität …

… wie Labskaus mit Spiegelei ...
… genau. Aber als ich von der Musikhochschule Stuttgart nach Bremen wechselte, sagte man mir, das sei doch eine Sackgasse. Ich sehe das ganz anders. Wir sind hier eine sehr kleine Hochschule, das bedeutet, dass sehr viel Austausch möglich ist. Man findet immer schnell zusammen. Und es ist fast einmalig in Deutschland, mit dem Fachbereich Kunst und Design die Möglichkeit zu Kooperationen und Interdisziplinarität zu haben.

Was bringt das Studierenden?
Mir schwebt vor, dass man beispielsweise als GeigerIn auch etwas von der Malerei oder Bildhauerei studiert, das bringt einen weiter als Mensch und KünstlerIn. Ich würde sowas gern zur Pflicht für Bachelorstudiengänge an beiden Fachbereichen machen.

Aber leben Künstler:innen nicht bevorzugt in ihrer eigenen kleinen Blase?
Gerade deswegen wäre das eine solche Bereicherung, damit man sich nicht länger einbildet, dass Grenzen existieren, wo gar keine sind. Nur wenn einem gezeigt wird, das könntest du auch noch, dann eröffnen sich neue Perspektiven.

Sie meinen, Künstler:innen können sich per se in mehreren Medien ausdrücken?
Ja, es geht nicht um Musik oder Bildende Kunst, sondern um beides. Bariton Dietrich Fischer-Dieskau und Komponist Arnold Schönberg waren beide auch tolle Maler. Die Klaviermusik von Enrique Granados würde gar nicht existieren, wenn Goya nicht seine Bilder gemalt hätte.

Das widerspricht dem Musikmarkt-orientierten Denken einer hochschulischen Eliteausbildung. Gut zu vermarkten sind ja nicht komplexe Künstlerpersönlichkeiten, sondern Virtuosen an den Tasten oder auf den Saiten.
Ja, wir sind zu perfektionistisch, das ist so hinderlich. Das wollen wir mit der interdisziplinären Ausbildung ändern.

Inwieweit funktioniert die interdisziplinäre Lehre innerhalb des Fachbereichs, also zwischen Alter Musik, Klassik, Jazz und zeitgenössischer beziehungsweise elektroakustischer Komposition?
Ich glaube, da ist sehr viel Luft nach oben. Etwas aber passiert bereits. Die Alte Musik spielt beispielsweise auch Beethoven, Schumann und Schönberg, weil sich bestimmte historische Spieltechniken besonders gut daran anpassen lassen. Jeder und jede Studierende bei uns setzt sich mit historischer Aufführungspraxis auseinander. Und der fachübergreifende Musikwissenschaftler Michael Zywietz verlinkt und vernetzt die Studienrichtungen.

Was hat Bremen von der HfK-Musikausbildung?
Ein gutes Renommee als Musikstadt und die vielen Konzerte mit jungen, talentierten Künstlern, dafür haben wir ja schon ein Stammpublikum.

Wie funktioniert der Spagat, Lehrender und selbst Künstler zu sein?
Sehr schwer am Anfang. Weil man als junger Musiker nur spielen will. Ich bin ja extra nach Deutschland gegangen als dem Zentrum der traditionellen klassischen Musik, hier ist sie geboren, hier lebt sie weiter, hier ist sie zu Hause. So sehe ich das jedenfalls als Ausländer. Um mich in Deutschland finanziell über Wasser zu halten, ging es mir wie vielen anderen, ich musste unterrichten – und hatte auch schon recht früh eine Stelle. Ich war 29 Jahre alt, als ich meine erste Professur, damit auch ein großes Arbeitspensum an der Hochschule bekam und schon konnte mein Fokus nicht mehr nur auf der eigenen Musikerkarriere liegen. Das war hart. Andererseits finde ich es auch ein wenig einseitig und etwas töricht, nur das eigene Süppchen kochen zu wollen. Der Austausch mit Kolleg:innen und Studierenden ist doch sehr wichtig. Heute denke ich jedenfalls, selbst spielen und unterrichten, das ergänzt einander. Ich bin ein besserer Musiker geworden, weil ich Musik gelehrt habe, dabei immer wieder wachgerüttelt wurde und erkannte, was ich alles noch nicht kann und weiß.

Leiden Sie beruflich unter Corona?
Nicht mehr. Das Online-Semester 2020 war schlimm, nur über Aufnahmen und Medien miteinander zu kommunizieren, so funktioniert Musik nicht. Leider ist ja auch weiterhin verboten, beispielsweise die großen Klavierwerke mit Orchester zu spielen. Sehr erfreulich aber, dass Präsenzunterricht wieder erlaubt ist, auch können in kleineren Gruppen Projekte realisiert werden. Das fortgesetzt zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass etwa unser Opernprojekt nicht einfach pauschal verboten wird, sondern eingeschränkt stattfinden kann, ist mir ein großes Anliegen.