Student*innen der Klasse Asli Serbest an der Hochschule für Künste Bremen entwickeln für das OUTNOW! Festival 2019 räumlich-interventionistische Projekte zwischen dem Theater Bremen und der Schwankhalle. ɐᴉdoʇn wird am Straßenrand, an gegenüberliegenden Uferseiten und in der Bewegung dazwischen umgesetzt – mit dem Ziel, alternative Lebensweisen vorzustellen und auszutesten.
ɐᴉdoʇn (OUTNOW! Internationales Performing Arts Festival 2019)
Klasse Asli Serbest (HfK Bremen)
8.–10. Juni 2019,
Opening: 7. Juni 2019, 20 Uhr – mit einem Spaziergang
ab dem Theater Bremen (Innenhof)
Eintritt frei
Der Frage nach zeitgemäßen Utopien nachgehend, entwickelt die Klasse Asli Serbest kritische Konzepte, die in der Stadt umgesetzt werden. Die räumlichen Installationen verfolgen unterschiedliche utopische Ansätze und Praktiken – wie zum Beispiel die Idee des Nichtstuns, der direkten Verbindung getrennter Stadtteile oder der Verwandlung von Mauern in Vorhänge. Diese Ansätze werden im Rahmen des OUTNOW! Festivals 2019 gezeigt. Die Entwicklung und Realisierung dieser Interventionen unter dem Titel ɐᴉdoʇn findet im engen, interdisziplinären Austausch aller Beteiligten statt. Sie basiert auf einer Forschung zu urbanen Utopien der 1960er- und 1970er-Jahre, die auf ihre Aktualität hin überprüft wurden. Ziel des Projektes ist es, urbane Praktiken, Relationen, Objekte und Architekturen zu untersuchen und durch Installationen, performative Objekte, mediale Räume (oder hybride Zwischenformen) Bewohner*innen Bremens, Passant*innen, Nachbar*innen und Besucher*innen zur Interaktion und zum Austausch einzuladen.
„Nicht-Ort“, ein mobiles Pflanzenmobil von Laura Baumann und Sven Rose, hinterfragt das gegenwärtige reduktive und zugleich koloniale Verhältnis zur grünen Welt und untersucht, wie Menschen sich wieder enger mit der Pflanzenwelt verbinden können.
„Concrete Curtain“ von Kseniia Stavrova thematisiert Mauern als typisches Symbol von Isolation, Begrenzung und Trennung. Durch Materialverfremdung und in ungewöhnlicher Umgebung werden sie zu einem plastischen und dynamischen Objekt.
In „Kitchen Realism“ behandelt Izabella Dobielewska das Thema der Effizienzsteigerung unserer Raumnutzung anhand der sogenannten Frankfurter Küche. Die Frankfurter Küche gilt seit den 1930er-Jahren als Symbol einer radikal rationalisierten und standardisierten Umgebung. Das Motiv der Küche in die Stadt zu tragen, zeigt den effizienten Hausarbeitsraum in einem dysfunktionalen Zustand.
Bei „Aquaeducti Temporali“ symbolisieren die von Lucas Kalmus aufgestellten Baugerüstfragmente Ruinen eines Aquädukts, das die Vision vermittelt, die Schwankhalle und das Theater Bremen mit Wasser aus der „umgedrehten Kommode“ zu versorgen, also dem Wasserturm auf dem Werder. 500 Jahre lang floss das Wasser in Bremen dank der Gravitation, seit 1984 wird das Bremer Leitungswasser gepumpt. Bestreben dieses Projekts ist es, die Grenzen zwischen den Theaterhäusern, die sich offensichtlich an der Trennung durch die Weser und den Werdersee zeigen, verfließen zu lassen.
„Die Mobile Parzelle“ wandert als Gemeinschaftsprojekt des Temporary Spaces Collective an der Weser entlang und dient einer Reihe von performativen Interventionen. „Die heutige Stadt ist von zunehmender Privatisierung geprägt. Gemeinsamer Raum geht dabei verloren. Mit der Mobilen Parzelle holen wir uns ein Stück Fläche für die Allgemeinheit zurück.“ (Temporary Spaces Collective)
In „Roland & Gesche – ein langer Prozess“ stellen Jonas Bornhorst, Tomma Köhler und Alex Pfeiffenberger zwei bremische Symbole einander gegenüber: die heldenhafte Figur des Roland und die städtische Antiheldin Gesche Gottfried, Serienmörderin und letzte jemals von der Bremer Justiz gerichtete Person. In kritischer Distanz zum Spuckstein Gottfrieds spazieren Statuen, die ohne abwertende Gestik an Gesche erinnern, als alternative Monumente durch die Stadt.
Bei „Zum Essen“ verspricht Raphael Wutz „Ungehöriges“: „Unsere Esskultur besteht aus Wiederholungen, Riten und Regeln. In der temporären Küche sollen diese aufgebrochen und diskutiert werden.“ Die mobile Einheit wird in einem Rucksack durch die Stadt getragen.
Die drei Projekte „Nicht-Ort“, „Roland & Gesche“ sowie „Zum Essen“ sind mobil und bewegen sich in der Zeit des Festivals zwischen dem Theater Bremen und der Schwankhalle, die übrigen vier Projekte sind stationär über den Stadtwerder verteilt.
Mit Beiträgen von: Laura Baumann, Jonas Bornhorst, Izabella Dobielewska, Nathalie Gebert, Lucas Kalmus, Tomma Köhler, Alex Pfeiffenberger, Sven Rose, Karl Rummel, Temporary Spaces Collective, Kseniia Stavrova, Lukas Stöver, Raphael Wutz
Prof. Asli Serbest studierte Architektur und Visuelle Medien in Istanbul, Wien und Stuttgart. Seit 2017 ist sie Professorin für Temporäre Bauten an der Hochschule für Künste Bremen. Durch ihre forschungsbasierte Praxis reflektiert und produziert sie Raum in unterschiedlichen Medien und Formaten: Architekturen, Ausstellungen, Installationen, Szenografien sowie (Video-)Texte, Konzepte und Publikationen. Ihre Projekte untersuchen vergangene, gegenwärtige und zukünftige Kontexte mit dem Ziel, die Relationen zwischen Architektur, Kunst und dem Politischen zu verhandeln. Seit 2007 arbeitet Sie mit Mona Mahall im Künstlerinnen-Kollektiv und gibt „Junk Jet“ heraus, ein unabhängiges Magazin für Kunst, Architektur und Medien. In diesem Jahr hat sie zusammen mit Mona Mahall die kuratorische Leitung der Sinopale 2019 (Internationale Kunst-Biennale in Sinop, Türkei) unter dem Titel „here and where“ übernommen.
Das Temporary Spaces Collective (Kollektiv Temporäre Räume) ist eine offene und interdisziplinäre Gruppe, die 2018 in der Klasse Serbest gegründet wurde. Das Kollektiv arbeitet zu Fragen des Raums, den es sich, im Gegensatz zu allen statischen Definitionen, als ein temporäres System vorstellt – als historisch, politisch, sozial und ökonomisch bedingte Raumproduktion. Die Projekte des Kollektivs behandeln Themen wie Temporalität, Nomadismus, Fragment, Dekonstruktion, Destruktion und Verfall. Grundsätzlich folgt die Gruppe der Annahme des französischen Schriftstellers und Philosophen Georges Bataille, dass der Raum auch ein Fisch sein kann, der einen anderen Fisch frisst.
Das OUTNOW! Internationales Performing Arts Festival wird von der Schwankhalle und dem Theater Bremen veranstaltet. 1994 am Künstlerhaus Schwankhalle Bremen gegründet, findet das Festival seit 2013 biennal in Kooperation zwischen der Schwankhalle und dem Theater Bremen statt. OUTNOW! präsentiert junge Künstler*innen aus ganz Europa, die sich am Beginn ihrer professionellen Laufbahn befinden. Einzelkünstler*innen, Regisseur*innen, Gruppen und Kollektive, die noch nicht wesentlich länger als drei Jahre eigene Arbeiten produzieren, sind mit ihren aktuellen Produktionen beim OUTNOW! Festival 2019 vertreten. Ebenso sind Beiträge aus anderen Disziplinen wie Medienkunst, Bildende Kunst und Musik zu erleben, die einen performativen oder theatralen Bezug aufweisen. Performances im öffentlichen Raum und ortsspezifische Projekte runden das Festival-Angebot ab. Als Forum für den internationalen Theaternachwuchs bietet OUTNOW! den eingeladenen Künstler*innen Gelegenheit, während des gesamten Festivalzeitraums vor Ort zu sein. Interne Gesprächsformate und Zeit und Raum für Begegnungen haben im Festival einen hohen Stellenwert. Eine ausgewählte Gruppe junger Kulturjournalist*innen begleitet das Festival zudem auf dem Feld der Berichterstattung.
Mehr Informationen zum OUTNOW! Internationales Performing Arts Festival 2019.
Eine Kooperation zwischen der Hochschule für Künste Bremen, der Schwankhalle und dem Theater Bremen. Gefördert von den Ortsämtern Neustadt/Woltmershausen, Mitte/Östliche Vorstadt und der Bremer Gerüstbau GmbH