Was machen eigentlich: Yvonne Westdörp und Hubert Notzon
Security ServiceIn unserer Rubrik „Was macht eigentlich…?“ erzählen Hochschulangehörige von und über ihre Arbeit.
Sie sind die ersten Gesichter, in die HfK-Besuchende blicken, und in Corona-Zeiten manchmal auch die einzigen Menschen, die einem live in der Hochschule begegnen – die Security-Dienstleister:innen, Moderator:innen der Verhaltensregeln und Ersthelfer:innen bei allen Irritationen, mit einem Wort: die Pförtner:innen. Sie vermitteln den ersten Eindruck von der Institution und werden schnell mit ihr identifiziert. Es könnte Liebe auf den ersten Blick sein. Auch skeptische Distanz erwachsen. Oder gleich eine gewisse Ablehnung keimen. Unzweifelhaft wichtig fürs Image der HfK sind daher die Pförtner:innen als erste Anlaufstation. Haben sie sich selbst im Laufe ihrer Berufsjahre mit der Hochschule identifiziert? Warum oder warum nicht? Wir fragten Yvonne Westdörp (YW) im Speicher XI und Hubert Notzon (HN) an der Dechanatstraße.
YW: Klar identifiziere ich mich mit der Hochschule. Als sie am 3. August 2003 vom ehemaligen Standort Am Wandrahm in den Speicher zog, war das mein erster Arbeitstag. Ich bin sozusagen von Anfang an hier mit reingewachsen. Zwar über die Fremdfirma Siba Security Service engagiert und zuerst auch nur als Wachfrau tätig, hat sich der Job bereits nach fünf Jahren mit dem Bau des Front-Office weiterentwickelt, der Empfangsdienst kam hinzu.
HN: Ich bin ja seit Juni 1998 hier tätig, das ist eine lange Zeit, da identifiziert man sich mit der Hochschule, ganz klar.
Dein Traumjob?
HN: Zugereister in Bremen bin ich, deutschstämmiger Pole, 1979 aus Schlesien gekommen, das mit dem Job war kein Traum, sondern Zufall. Ich kam hier häufig an die Dechanatstraße zum Musizieren und saß hier auch viel rum, da fragte mich eines Tages ein Wachmann, die hatten 1998 ihren Dienst aufgenommen, ob ich nicht mal seine Schicht übernehmen könnte. Ich habe mit seinem Chef gesprochen, mich dann hier morgens früh hingesetzt und bin sitzenglieben, weil dann der, der die Nachmittagsschicht machen sollte, einfach nicht gekommen ist. Und so habe ich einen Vertrag bekommen, ich weiß noch, es gab 11.11 DM die Stunde.
YW: Ich komme aus dem Büro, bin ausgebildete Phonotypistin, habe mich weitergebildet in Datenverarbeitung und war in dem Bereich überwiegend tätig. In den 1990er Jahren aber kam ich in die erste großen Arbeitslosenwelle, wo ich keinen Job mehr bekommen habe. Arbeitslosenhilfe zu beziehen, das kam für mich nicht in Frage. Und so half mir eine Freundin, in den Wachdienst hineinzurutschen.
Du hast ja einen gläsernen Arbeitsplatz, der nicht ins Homeoffice zu verlegen ist. Aber viele wissen gar nicht, was zur Arbeitsplatzbeschreibung alles dazugehört.
YW: Meine drei Kollegen und ich sind als Vollzeitkräfte ja 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag der Dreh- und Angelpunkt für alles, was hier rein- und rausgeht, Telefonate etwa. Wir verknüpfen Ankommende und bereits Anwesende, zum Beispiel Handwerker und ihre Einsatzorte, Schließberechtigungen für Studierende und Räume, Post und Adressaten, Autoschlüssel und -Nutzer. Und wir liefern natürlich Orientierung hier im Haus, machen auch Materialausgabe, da kommt man schnell in Kontakt mit Studierenden, ob die nun Hammer, Pinsel oder Farbe brauchen. Bei all den Tätigkeiten wuchs die Identifikation mit den Menschen hier und ihrer Kunst.
HN: Früher war ich nicht so auffällig, sondern hatte näher an der Tür unter der Treppe wie in einem Pferdestall meinen Arbeitsplatz, jetzt werde ich ja hier am Empfang wie in einem Schaufenster ausgestellt. 6.45 Uhr fange ich morgens an, dann kommen die Putzkräfte, das muss ich organisieren mit den Generalschlüsseln sowie das An- und Abmelden. Dann kommen auch schon die Studierenden, ich verteile den ganzen Tag über die Schlüssel für die 54 Überäume, manchmal muss ich auch Hausmeister spielen oder Post verteilen.
Und der Sicherheitsdienst?
YW: Ist geblieben mit den nächtlichen Rundgängen durchs Haus, dem Überprüfen, ob alle Räume verschlossen sind, sowie tagsüber eben das Achten auf Personen, die sich nicht zu benehmen wissen oder hier nicht reingehören, Diebstähle sind ja leider an der Tagesordnung. Wir haben im Namen der Hausverwaltung, dem Dezernat 4, das Hausrecht und müssen das auch durchsetzen. Aber selbst wenn Hochschultage sind oder Erstsemesterpartys, dann mag zwar mal was kaputtgehen, aber die Veranstaltungen gingen immer friedlich aus, keine Schlägereien irgendwo. Künstler sind halt schon von der Sensibilität her ein besonderes Völkchen.
HN: Ich mache Rundgänge, beobachte die Bilder der Videoüberwachung. Ich vertrete ja hier das Hausrecht und muss es durchsetzen, also auf Ordnung achten und gegebenenfalls Menschen zum Verlassen des Hauses auffordern, wenn sie sich nicht ordentlich benehmen. Nachts sind meine Kollegen und ich aber nicht im Dienst, da darf hier auch niemand üben. Da ist es in den letzten 20 Jahren auch schon dreimal zu Einbrüchen gekommen.
Mensa zu, Bäcker weit weg, kein Imbisswagen kommt vorbei, wie kommst du da über den Tag?
YW: Meine Kanne Tee habe ich dabei und einen Pott Essen zum Warmmachen in der Mikrowelle. Manchmal habe ich auch Appetit auf Pizza, dann bestelle ich mir eine vom Lieferdienst. Das ist der Nachteil hier, dass ich ja nicht einfach mal so weggehen und den Laden kurz zumachen kann.
HN: Ich frühstücke nie, das ist gesund. Ich esse normalerweise nie vor 15 Uhr. Dann vielleicht Tomaten und Gurken. Im Laufe des Arbeitstages trinke ich schwarzen Kaffee und Wasser. Früher habe ich abends mich mit Süßigkeiten zugestopft, jetzt verzichte ich komplett auf Zucker, genieße aber viele, sehr viele Nüsse. Walnüsse, Mandeln, Chashewkerne und Haselnüsse. Ich nehme nie zu.
Was hat sich in deiner Verantwortung geändert seit Corona?
HN: Früher konnte jeder reinkommen, jetzt muss jeder klingeln und ich lasse ihn rein. Ich muss darauf achten und hinweisen, dass alle Maske tragen. Ich gebe auch welche aus. Und muss ja auch eingreifen, wenn sich Leute umarmen. Ich sage dann, ihr müsst Abstand halten, die sagen dann, sie kommen aus einem Haushalt, ich sage dann, das ist egal, hier im Haus müsst ihr Abstand halten. Klipp und klar sage ich das auch Liebespaaren.
YW: Darauf achten, dass sich jeder ein- und auscheckt, das ist jetzt das absolute Muss. Aber man vermisst das Leben hier in der Bude. Als sich vor Corona alle frei im Haus bewegen durften, liefen sie massenhaft hier durch, einfach vorbei, man erlebte zwar auch kleine Tragödien und selten auch mal Liebesgeschichten, aber du hast meist nicht mal die Gesichter dir richtig merken können, es waren einfach zu viele. Klingt blöd, ist aber so: Vor Corona hatten wir viel weniger mit den Studierenden zu tun als jetzt, wo zwar viel weniger hierherkommen, aber jeder einzeln, und er meldet sich an, bevor er kreativ wird, und anschließend auch wieder ab. Man sieht und redet mit jedem.
Kennst du Studierende persönlich?
YW: Klar, gerade weil viele wie ich im Viertel wohnen, ich bin im Ostertor aufgewachsen und lebe auch immer noch dort.
HN: Ich kann fast jeden mit Vornamen begrüßen. Obwohl hier auch was los ist, wenn im Speicher XI so zehn, 20 pro Tag reinkommen, kommt hier ein Vielfaches an Menschen vorbei. Früher bin ich auch zu Abschlusskonzerten und Partys von Studierenden gegangen, das mache ich jetzt nicht mehr, wenn ich acht Stunden gearbeitet habe, dann will ich meine Ruhe haben – außerdem wird die altersmäßige Schere zwischen mir und den Studierenden immer größer, ich bin jetzt 60 und die immer noch in den Zwanzigern, wie soll ich da mit denen feiern? Überhaupt muss man ja aufpassen, dass aus der Nähe nicht Kumpanei wird. Auf der Arbeit vertrete ich ja die Regeln der Hochschule, nicht die Wünsche der Studierenden, bin die Gegenseite für sie und muss das auch zeigen.
Was waren, was sind die häufigsten Fragen und Probleme, mit denen du konfrontiert wirst?
YW: Vor Corona dominierten Fragen, wo was zu finden ist. Jetzt geht es vor allem um Zutrittsberechtigungen.
HN: Früher kam man vorbei und fragte, hast du ‘nen freien Raum. Heute holt man einfach die gebuchten Raumschlüssel ab.
Funktioniert das System?
YW: Zu Beginn des Lockdowns war das schwierig, da gab es noch viele, die unangemeldet kamen und mit denen man diskutieren musste bis zu dem Punkt, wo man sagte, jetzt reichts, ihr müsst akzeptieren, die Berechtigungen, Räume zu betreten, dürfen wir nur nach der uns täglich neu übermittelten Voranmeldeliste rausgeben und keine Ausnahmen erlauben. Das hat sich jetzt aber eingespielt. Mal einen anderen Ton anschlagen, das ist kaum mehr nötig. Erstsemester kennen es ja gar nicht ohne diese Prozedur.
HN: Das ist gut organisiert, die Räume sind aber nicht immer ausgebucht, das sehen die Studierenden ja auch auf ihrem Handy, da ist dann auch kurzfristig immer mal was möglich.
Musstest du dich auf die Künstler:innen erst einstellen?
YW: Nein, damit hatte ich von zu Hause aus schon zu tun. Eine gute Freundin war Malerin, auch ein Großcousin war Künstler.
HN: Nein, ich mag das. Bedauere aber, dass wegen Corona viel weniger Kontakte stattfinden. Und jetzt haben die mir ja auch noch eine Extra-Scheibe eingebaut zwischen mich und den Studierenden, das trennt natürlich und die Akustik ist viel schlechter, man versteht einander häufig einfach nicht mehr.
Hast du selbst künstlerische Interessen?
HN: Ich habe vor 40 Jahren Musik studiert, nämlich Jazz- und Barock-Trompete am Konservatorium am Osterdeich, das ja 1979 als Fachbereich Musik in die Hochschule für Gestaltung integriert wurde. Aber das Niveau von damals ist mit dem heutigen nicht zu vergleichen. So wie ich damals gespielt habe, hätte ich heute keine Chance gehabt, jemals die Aufnahmeprüfung zu bestehen. Trotz Studienabschluss konnte ich aber als Berufsmusiker nicht wirklich leben, nur mich über Wasser halten. Ganz früher habe ich in meinem Raum hier an der Dechanatstraße auch immer noch mal geübt, jetzt ist es zu laut, zu hallig und einfach zu viel los. Aber manchmal spielte ich eine Fanfare durchs Mikrofon ins Haus, um Studierende auszurufen, wenn ihr Übungsraum frei wurde. Aber meine Trompete habe ich seither schon Jahre nicht mehr angefasst. Höre aber noch gern Bebop, Bigband-Jazz und Trompeter wie Maynard Ferguson, der hat hier 1990 einen Kurs gegeben, und Wayne Bergeron.
YW: Ich habe früher viel fotografiert und selbst entwickelt, zeichnerisch zudem so rumgespielt, grafisch am Computer mit Corel Draw gearbeitet, auch Fotomontagen erstellt, da kamen ganz urige Sachen heraus. Ich gucke mir auch an der Hochschule an, was Studierenden so machen, zum Beispiel der Fachbereich Mode, dort fotografiere ich auch ab, was ich richtig toll finde. Manchmal laden mich Studierende auch zu Ausstellungen ein.
Worauf freust du dich jeden Tag?
HN: Solche Gedanken habe ich nicht. Ich stehe auf, ziehe mich an und dann komme ich hierher aus der Vahr mit dem Auto und arbeite. Das ist ganz normal mein Job hier. Dass ich besondere Freude habe, nee. Ach, doch, Montag, Dienstag mache ich bis 18 Uhr Dienst, Mittwoch kann ich schon um 15 Uhr nach Hause gehen, das freut mich.
YW: Ich freue mich auf den Mittagsspaziergang während meiner Pause mit dem Rollwagen zum Verteilen all der Pakete im Haus, das heißt auch: hier mal ‘nen Schnack, da mal ‘nen Schnack.
Es ist ja klar, dass wir die Hochschule nur wieder weiter öffnen und geöffnet halten können, wenn sich alle an die Abstands- und Hygieneregeln halten. Funktionieren die, was ist dein Eindruck?
HN: Als Checkin angelaufen ist, hatten ja alle eine Mail dazu bekommen, wie das funktioniert, aber die überwiegende Mehrheit, die hier ankam, wusste überhaupt nichts davon, hatten die Mail gar nicht gelesen, da musste ich ganz viel erklären, so dass ich abends ganz schön erschöpft war, das Erklären macht jetzt zum Glück eine studentische Hilfskraft. Was trotzdem nicht so gut klappt: Nun checken sich die meisten zwar richtig ein, aber vergessen, sich wieder auszuchecken. Und für mich ist das Pflegen der Listen der Raumbuchung natürlich viel mehr Arbeit als vorher.
YW: Im Haus ist ja eine weitere Sicherheitsfirma unterwegs, um auf die Einhaltung zu achten, wir können ja nur im Foyer aufpassen. Da habe ich aber noch nie jemanden gesehen, der ohne Maske reinkam. Studierende und Mitarbeiter sind sehr genau beim Einhalten der Regeln, die sagen eher mir mal, ey, Maske auf …