Unter dem Titel „Destination unknown _ Wo wollen wir hin?“ präsentiert die Hochschule für Künste Bremen in der Unteren Rathaushalle überwiegend prämierte Arbeiten von Studierenden und Absolvent*innen und bietet musikalisches Programm. Rund 1.000 Besucher*innen pro Tag besuchten die Ausstellung seit der Eröffnung Anfang Juli. Nach sechs Wochen in der Unteren Rathaushalle lädt die HfK Bremen am 10. August zur Finissage ein.
Destination unknown_ Wo wollen wir hin?
Finissage in der Unteren Rathaushalle Bremen
Am Markt 21
Samstag 10. August 2019
Ab 16 Uhr
Die Ausstellung „Destination unknown_ Wo wollen wir hin?“ von Studierenden der Hochschule für Künste Bremen im Bremer Rathaus greift die Themen unserer Zeit auf, um mit den Besucher*innen ins Gespräch zu kommen. Die Exponate aus den Studiengängen Design, Kunst, Digitale Medien und Musik zeigen die Bandbreite dessen, was die jungen Bremer Künstler*innen im Rahmen ihres Studiums schaffen. Die Kurator*innen Laura Baumann und Sven Rose, selbst HfK Absolvent*innen, haben für diese Ausstellung die Ideale der Bremer Stadtmusikanten aufgegriffen: Solidarität, Gemeinschaft und der Mut neu zu denken schwingen in den Arbeiten deutlich mit.
Machtverhältnisse und nachhaltige Produktion
Dass die Studierenden in ihren Arbeiten auf gesellschaftspolitisch aktuelle Themen eingehen, diese betrachten, weiterdenken und damit auch eine Gesprächsgrundlage für Betrachter*innen schaffen, wird deutlich. Zum Beispiel die fotografische Arbeit „About Blue Red and White – Aesthetics of Power“ von Sarah Fricke, Absolventin des Integrierten Designs. Gefördert durch das H. A. Bockmeyer Reisestipendium, reiste Fricke 2017 durch die USA und Russland, um die Machtinszenierung von Staaten zu dokumentieren, die sich politisch von der Demokratie entfernen. Ihre Bilder zeigen, dass diese Distanz auch visuell erkennbar wird. Die Intention: Man muss totalitäre Strukturen erkennen, um dagegenhalten zu können.
Das Produktdesign greift den Wunsch nach Nachhaltigkeit auf, der in unserer Gesellschaft immer lauter artikuliert wird. Die ausgiebige Materialstudie zur optimalen Herstellung eines 4D-Druck-Schuhs „Print and Pops!“ von Mariandreina Baasch verlässt die festgetretenen Pfade: Die Methode spart Verpackungsmaterial und vermeidet unnötigen Transport und Lagerung.
Die in der Unteren Rathaushalle gezeigten Arbeiten sind in ihrer Ausgestaltung sehr unterschiedlich – von bewegten Bildern und Fotografien über Bücher, Drucke, Möbel und Chipkarten für soziale Interaktionen –, gleichzeitig zeugen sie von den verschiedenen künstlerischen Persönlichkeiten. Die eine Arbeit ist persönlich und leise, die nächste ist explizit gesellschaftskritisch, eine andere wieder abstrakt und poetisch.
Dialog zwischen Kunst und Stadtgesellschaft kommt in Gang
Auf der Feedback-Wand, dem Gästebuch der Ausstellung, finden sich viele positive Reaktionen. Da heißt es „Schöne Denkanstöße zu wichtigen Themen“ oder „Thanks so much for asking the questions to spark the conversations that matter.“ („Vielen Dank, dass ihr die Fragen stellt, die die wichtigen Gespräche ins Rollen bringen.“).
Ein älterer Herr hat sich die Arbeit „It’s time for Utopia – Ansichten von ‚Gut‘ und ‚Böse‘“ von Sue Wendlandt vorgenommen. Er komme fast täglich, um in der Publikation zu lesen, und mache sich auch viele Notizen, erzählt er der Aufsicht. „Da sind so viele wichtige Gedanken drin.“ In ihrer Publikation beschäftigt Wendlandt sich mit der Bedeutung von „Gut“ und „Böse“ in unserer Gesellschaft, interviewte dafür einen Strafverteidiger, einen Kriminalpsychologen, einen Sozialarbeiter, eine Schulleiterin, einen Pastor und diverse andere Personen. In Videosequenzen projiziert die Künstlerin Ausschnitte aus Gewaltvorfällen. Die Filmsequenzen haben im Rahmen dieser sensiblen Arbeit ihre innere Logik. Von der Jury wurde sie bei der Preisvergabe des Hochschulpreises 2019 unter anderem dafür gelobt, sich dem Thema Gewalt anzunähern, ohne voyeuristisch zu wirken. Zu Beginn der Ausstellung sorgten ebendiese Szenen direkt für Gesprächsstoff, denn sie schienen vielen Besucher*innen zu brutal. Dadurch schaffte sie es gleich in den Weser-Kurier („Zu brutal für die Geburtstagsfeier der Stadtmusikanten“, 06.07.2019, Ralf Michel). Die Künstlerin reagierte schnell und entschied, explizite Gewaltszenen aus dem Video zu schneiden. Den feinen Grat zwischen einer ungeschönten Auseinandersetzung mit Gut und Böse und einer jugendschutzkonformen Ausstellung im öffentlichen Raum sieht sie bei ihrem Projekt als Herausforderung.
Die Hochschule für Künste in ihrer Bandbreite wird sichtbarer
Die HfK Bremen stellt im Rahmen dieser Ausstellung mehr als die Arbeiten der Studierenden aus – sie präsentiert sich der Stadt und den Besucher*innen. Unter der Frage „Wo wollen wir hin?“ haben sich die Organisator*innen der Ausstellung mit den Themen beschäftigt, die die Hochschule als Ganzes und die Studierenden im Besonderen bewegen, und Bezüge zu Bremen und zur Gesellschaft dargelegt. Durch die Exponate und das Programm in der Unteren Rathaushalle wird die Bandbreite der Hochschule sichtbar gemacht. Und sie gibt dem Publikum in der Stadt einen Einblick in das aktuelle Kunstgeschehen, die verschiedenen Medien und die genreübergreifenden Ansätze der jungen Kunstszene.
Konzerte und Radio Live-Sessions
Samstags gibt es darüber hinaus Konzerte sowie Radio-Sessions, live und direkt von Radio Angrezi, einem offenen Kollektiv von Studierenden der HfK und auch der Universität Bremen. Radio Angrezi entstand als studentisches, interdisziplinäres Projekt an der HfK und ist unter anderem regelmäßig auf Radio Weser.TV zu hören. Das Kollektiv versteht seinen Sender als Plattform, die sich keinesfalls auf die Hochschule beschränkt. In den vier Sendungen, die aus der Rathaushalle samstags von 16 bis 18 Uhr ausgestrahlt werden, suchen sie aktiv das Gespräch mit Besucher*innen, aber auch mit Anrufer*innen. Es geht darum, in Dialog zu treten, Themen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und Fragen zu stellen. In der ersten Sendung konnten sich Zuhörer*innen telefonisch oder vor Ort zum Thema „Prizeless“ äußern: Preise – gewinnen, aber auch verlieren – waren das Thema. Aber auch ein spontaner Live-Auftritt von niederländischen Jazzmusikern sowie kurze Interviews mit Passant*innen und Besucher*innen waren Teil des Programms. Die Themen variieren, nehmen Bezug auf die Ausstellung und die Stadt. Zu hören sind die Sendungen momentan live über Radio Weser.TV und auf radioangrezi.de.
Finissage mit Paukenschlag
Am kommenden Samstag, den 10. August, lädt die HfK zur Finissage ein. Aus diesem Anlass gibt es eine verlängerte Radio Angrezi Live-Session mit DJs und Überraschungen sowie ein Paukenstück von HfK-Studenten Mattia Bonafini. Bonafini hat elektroakustische Komposition an der HfK Bremen, in Helsinki und in Bologna studiert. Anschließend studierte er Freie Kunst an der HfK Bremen und gewann im vergangenen Mai als Meisterschüler zusammen mit der Künstlerin Luisa Eugeni den Karin Hollweg Preis 2019 für die Multimedia-Installation „Das stehende Sein“ (zu sehen bis 11. August 2019 in der Weserburg Museum für moderne Kunst). Bonafinis Werdegang gibt einen Einblick in das, wofür die HfK steht: Interdisziplinarität und genreübergreifende Kunst.
Mit der Finissage in der Unteren Rathaushalle und dem Ende der Meisterschüler*innen-Ausstellung in der Weserburg am darauffolgenden Tag geht ein veranstaltungsreicher Sommer an der HfK zu Ende. Im November geht dann die Opernaufführung „Die Zauberflöte“ in die zweite Runde, diesmal im Alten Pumpwerk. Am Totensonntag, den 24. November 2019 wird der Kunstförderpreis der Bremer Stiftung „Silberner Schlüssel“ zum 30. Mal an ein*n Diplomand*in der Freien Kunst verliehen, und die Vortragsreihen des Fachbereichs Kunst und Design starten schon im Oktober. Das komplette Programm der Hochschule für Künste Bremen finden Sie unter hfk-bremen.de/calendar. Das aktuelle Programm der Ausstellung „Destination unknown_ Wo wollen wir hin?“ in der Unteren Rathaushalle finden Sie unter: hfk-bremen.de/destination-unknown
Programmänderungen vorbehalten.